Deutsch ist eine sehr lautmalerische Sprache. Sie macht es uns leicht, neue Begriffe zu erfinden. Ich habe selbst schon viele Wörter erfunden: von Legosprache bis Silbenkonfetti. Oder Bauhaus- versus Rokkoko-Kommunikation. Pogofähigkeit ist auch so ein neues Wort, aber nicht von mir, sondern von Gitta Peyn. Als mir das Wort erstmals auf Linkedin begegnete, verstand ich sofort, was gemeint ist. Doch weil das vermutlich nicht allen so geht, hier eine kurze Begriffserläuterung.
Was ist Pogo?
Pogo ist ein Tanzstil, wie er im Punk und im Heavy Metal verbreitet ist. Angeblich soll Sid Vicious von den Sex Pistols der erste gewesen sein, der sich auf und ab hüpfend vor einer Bühne bewegte. Die schönste Erklärung zu Pogo, die ich gefunden habe, kommt von Debbie Harry:
Hier ein Ausschnitt von einem Konzert der Toten Hosen:
Beim Pogen laufen und springen die Leute häufig durcheinander. Rempler und Kontakt sind durchaus beabsichtigt, jedoch nicht mit dem Ziel, andere zu verletzten. Deshalb gibt es einen klaren Verhaltenskodex: Egal, wie wild es wird, helft euch gegenseitig wieder auf. Wenn du mehr wissen willst, die Zeitung Metal Hammer erklärt Pogo und weitere Begriffe der etwas anderen Tanzfläche.
Vom Pogo auf der Tanzfläche zur Pogofähigkeit im Diskurs
Der Begriff Pogofähigkeit überträgt diesen wilden Tanzstil als Metapher auf den Diskurs, die Debatte, das kommunikative Miteinander. Wenn wir miteinander diskutieren, streiten, debattieren, kommt es regelmäßig zu Missverständnissen, zu Interessens- oder auch zu Zielkonflikten. Dass wir im Streit auch mal aneinander geraten, kommt vor. Es ist normal.
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Gitta Peyn und Frank Habermann verstehen unter Pogofähigkeit
„die Fähigkeit, im kommunikativen Vollkontakt Individualität Anderer zu respektieren, selbst wenn es dabei zu blauen Flecken kommt.“
Die Kunst besteht darin, im kommunikativen Kontakt, auch wenn es hitzig wird, das respektvolle Miteiannder nicht aus den Augen zu verlieren.
Die Fragen lauten also:
Wie weit gehen wir? Wie gut haben wir uns auch in der Hitze des Wortgefechts unter Kontrolle? Und wenn etwas schief läuft, wie schnell kommen wir zurück zum respektvollen Miteinander? Können wir einlenken? Können wir um Verzeihung bitten? Können wir großzügig sein? Können wir verzeihen? Und: Können wir Widersprüchlichkeiten (Ambiguität) aushalten?
Pogofähigkeit im Diskurs bedeutet also:
- In der Hitzigkeit der Debatte trotzdem Respekt bewahren und darauf achten, andere nicht ernsthaft zu verletzen.
- Selbst so robust sein, nicht jeden Rempler als Attacke zu werten, sondern großzügig zu bleiben. Passiert halt.
- Und falls es doch zu einer ernsthaften Verletzung kommt, einander helfen, wieder in den Diskurs zu finden.
Wir alle haben Stärken und Schwächen in unserem Kommunikatonsverhalten
Die eigene Pogofähigkeit trainieren bedeutet, ehrlich mit sich zu sein und zu reflektieren, wo die eigenen Stärken und Schwächen im Kommunikationsverhalten liegen.
Ich zum Besipiel gehöre zum Kommunikationstyp „Bauhaus“. Ich kommuniziere sehr direkt, falle mitunter mit der Tür ins Haus, weil ich Höflichkeits- und Wohlfühlsätze um die eigentliche Aussage herum, also quasi das Geschenkpapier und die Schleifchen, vergesse. Ich strenge mich an. Trotzdem scheitere ich immer wieder.
Diese Erkenntnis aber hilft mir, zu verstehen, warum manche Leute reagieren wie sie reagieren. Für manche Menschen wirkt diese Direktheit harsch oder sogar aggressiv, auch dann, wenn ich die Ruhe selbst bin.
Das Gleiche gibt es auch umkehrt. Mich stresst Rokkoko-Kommunikation. Das bedeutet, jemand kommuniziert indirekt und packt sehr viel höfliche und freundiche Worte um die eigentliche Aussage. Mich stresst es deshalb, weil ich Schwierigkeiten habe, zu verstehen, was gemeint ist.
Wieder andere tendieren zu Jähzorn oder verkriechen sich im Schneckenhaus. So hat jeder und jede eigene Muster, die das Kommunikationsverhalten prägen. Sie sind nicht immer unsere besten Eigenschaften, aber sie gehören zu uns. Und nur, wenn wir sie akzeptieren, können wir sie beeinflussen.
Ein Tipp: Wenn dir etwas in verschiedenen Kontexten und mit unterschiedlichen Leuten immer wieder passiert oder wenn du ein Feedback immer wieder hörst, nehme es als Chance und Lerngelegenheit, zu erforschen, woher das kommt und was du daraus lernen kannst.
Links:
Gitta Peyn zu Pogofähigkeit: https://gitta-peyn.de/pogofahigkeit/
Streiten lernen
Auf der Seite „Streiten lernen“ geht es um Kompetenzen Konflikte konstruktiv auszutragen und Eskalation entgegenzuwirken.