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Trump, Brexit, AfD – Und jetzt?

Der Wahlsieg von Trump in den USA wirbelt das Netz und die Menschen, die sich darin bewegen, gehörig durcheinander. Auch ich bin in Sorge. Ein Egomane umgeben von Tea Party und Kuklux-Klan und einer Machtfülle im Nacken, die ihresgleichen sucht. Das macht Angst.

Die Welt fragt sich: Wie konnte das passieren? Was können wir tun? Die Briten können sich 2016 noch freuen, von den US-Bürgern als dümmstes Wahlvolk der Welt abgelöst worden zu sein. 2017 sind wir dran zu zeigen, wer dümmer ist: Es wählen Deutschland und Frankreich. Und: Ist es wirklich dumm? Oder sind diejenigen dumm, die das postulieren?

Trump AfD | Brexit | gesellschaftliche Spaltung Debatte, Demokratie und Medien

Petitionen und Parolen gegen den Hass

Der Schock sitzt und fordert dazu auf, etwas zu tun. Die Internetgemeinde hat gelernt, schnell und effizient mit Hashtags, Briefen und Petitionen Aufmerksamkeit zu generieren und Unterstützer zu finden. Und natürlich sind auch Erklärungen und Analysen schnell zur Hand und jeder kann sich die Erklärung heraussuchen oder interpretieren, wie sie in das eigene Weltbild passt. Aber ist das auch effektiv? Was bringt es?

Mit „Je suis…“-Aktionen konnte ich auch schon 2015 nichts anfangen. Aber ich unterschreibe viele Petitionen, offene Briefe, poste Bekenntnisse, erkläre mich solidarisch. Aber diesmal fällt es mir schwer, irgendwelche Hashtags zu teilen oder Briefe an Trump zu unterschreiben und ich frage mich: Warum? Mein Kopf schallt: Weil es nichts bringt. Weil es ernst ist. Weil ich mit Hashtags nicht die Spaltung in der Gesellschaft überwinden kann.

Die Briefe und Hashtag-Parolen bringen natürlich schon etwas. Sie streicheln. Sie helfen, sich mit der eigenen Sorge und Angst vor dem, was kommen mag, nicht alleine zu fühlen. Ob sie aber auch die erreichen, die diese Angst verursachen, hängt ganz von der Botschaft ab. Wenn ich zu jemandem sage, dass er blöd, dumm, sexistisch, rassistisch, zu tolerant, ein Gutmensch, ein Nazi, ein Islamist, eine linke Socke ist, dann wird er sich so verhalten, dass er mein Urteil bestätigt. Die Spaltung setzt sich fort.

Recherche kostet Zeit

Ich investiere viel Arbeitszeit in meine Blogbeiträge, beachte journalistische Kriterien und stelle viel weiterführende Information zur Verfügung. Das alles stelle ich kostenlos für alle zur Verfügung – ohne bezahlte Werbung auf meiner Seite. Aber natürlich muss auch ich im Supermarkt mit Euros bezahlen. Daher freue ich mich, wenn du meine ehrenamtliche redaktionelle Arbeit unterstützt.

Wir müssen miteinander reden. Aber wie?

Wenn es das Ziel ist, die Spaltungen zu überwinden, die es nicht nur in den USA gibt, sondern auch vielerorts in Europa, dann helfen Hashtags und Parolen nicht weiter. Wir müssen miteinander reden, nur wie? Die sozialen Milieus und Gruppen, die im Internet bisweilen aufeinander losgehen, um sich dann erzürnt abzuwenden, weil mit der anderen Seite ja sowieso nicht zu reden sei, kennen sich persönlich so gut wie gar nicht.

Wir wohnen in getrennten Welten. Auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern, Bayern oder Niedersachsen gibt es nur wenige Flüchtlinge und kaum Menschen mit Migrationsbiografie. In den Großstädten wiederum ist Vielfalt der Biografien und Lebensentwürfe Alltag. Dafür leben die meisten Menschen in homogenen Milieus. In meinem Stadtviertel in Köln zum Beispiel stellen die Grünen traditionell die stärkste Fraktion im Stadtrat. Die dominanten Berufsgruppen sind: Lehrkräfte und „Was mit Medien“. Es gibt andere Stadtviertel, dort wohnen sehr viele Beschäftigte von Ford, einfach weil das Werk in der Nähe ist. In wieder anderen Gegenden häufen sich Ärzte und Juristen und die bevorzugten Parteien dort heißen FDP und CDU. Es gibt Studierendenviertel und welche, in denen vor allem bürgerliche Menschen mit durchschnittlich bezahlten Jobs leben. Dann gibt es noch die Viertel der Abgehängten. Die nennt man dann sozialer Brennpunkt. Die Soziologen nennen dieses Phänomen Segregation. Die ist nicht neu. Die gab es schon in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts und vermutlich noch viel länger.

Diese Form der Homogenisierung von Gegenden liegt auch an bezahlbaren Mieten und pragmatischen Gründen, aber nicht nur. Gleich und gleich gesellt sich gern. Normal. Das setzt sich in der Schule fort. Zum Teil wegen des räumlichen Einzugsbereichs von Schulen, zum Teil wegen bestimmter Schwerpunkte weiterführender Schulen.

Wir sind also vergleichsweise viel unter Unseresgleichen. Und da in der Öffentlichkeit viele kollektiv den Kopf gesenkt und den Blick starr auf das Mobiltelefon gerichtet halten, kriegen sie auch in der Bahn oder beim Stadtbummel nichts mehr außerhalb der eigenen Lebenswirklichkeit mit. Einen ähnlichen Effekt hat die in den vergangenen zwanzig Jahren sich enorm vergrößerte Vielfalt an Medien, Medieninhalten und der Zugang dazu. Zu meiner Studizeit gab es neben der regionalen Tageszeitung noch das Wochenblättchen, Boulevardzeitungen sowie die großen überregionalen politischen Zeitungen mit klaren Zuordnungen zum politischen Lager sowie zwar eine gewachsene, aber dennoch übersichtliche Zahl an Radio- und Fernsehprogrammen. Heute ist die Vielfalt schlicht unübersichtlich. Und vermutlich haben viele Menschen überhaupt keine Schnittmengen mehr in dem, was sie medial vermittelt wahrnehmen.

Wenn ich aber keinen Austausch mit anderen Lebenswirklichkeiten mehr habe, weder inhaltlich noch real, wird es deutlich schwerer, Verständnis aufzubringen, Motive nachzuvollziehen, Meinungen zu akzeptieren. Sie erscheinen aus der eigenen Sicht derart absurd, dass das andere dumm sein muss. Sonst könnte er oder sie nicht so denken.

Erschwerend kommt hinzu, dass rein medial vermittelte Lebenswelten verzerrte Bilder erzeugen. Das liegt nicht an einer Lügenpresse oder einseitiger Berichterstattung. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass Medien in der Regel über das Besondere, das Außergewöhnliche berichten. Wenn ich also bestimmte Teile der Gesellschaft oder Welt nur über die Medien kenne, erlebe ich schnell das Besondere als Normalfall. Das erschwert meine Akzeptanz zusätzlich.

Wir haben verlernt, aufeinander zuzugehen. Wir haben verlernt, einander wahrzunehmen, einander ernst zu nehmen, einander zuzuhören. Den Respekt, der jedem Menschen gebührt, vermisse ich bisweilen auch auf Seiten derer, die sich auf der guten und richtigen Seite wähnen.

Was können wir tun?

Hätte ich die Lösung, könnte man mich für den nächsten Nobelpreis vorschlagen. Habe ich nicht. Aber mir ist klar: Wenn ich Menschen jegliche Intelligenz abspreche, wenn ich bei jeder rassistischen Äußerung die Nazikeule raushole, bei Sexismus sofort den anderen beschimpfe oder mein Lebensmodell als besser, moralisch höherwertiger, richtiger darstelle als das des anderen, dann fördert das nicht gerade die Kommunikation miteinander. Wir müssen uns also alle an die eigene Nase fassen. Das heißt nicht, dass jemand die eigene Meinung ändern soll. Es heißt, dass wir wieder lernen müssen, andere – auch sehr andere Meinungen auszuhalten und uns trotz anderer Lebensmodelle mit Respekt zu behandeln. Ein Shitstorm wegen eines Werbespots für Wurst ist das Gegenteil von Toleranz.

Wir müssen aber toleranter werden. Und wir müssen unterscheiden. Wo hat jemand einfach eine andere legitime Meinung oder Gewohnheit, etwa das Essverhalten oder die Religion. Und wo ist es wirklich problematisch, wie bei Rassismus und Sexismus, denn die Würde des Menschen ist grundgesetzlich geschützt und die wird bei Diskriminierung berührt. Dennoch hilft es eben nicht, auf den anderen loszuschimpfen. Wir müssen immer den Respekt wahren. Dann können wir debattieren, Argumente austauschen, die eigene Sicht erweitern und um das beste Ergebnis ringen. Demokratie mit Leben füllen.

Im Moment fehlen die Vorbilder. In den letzten Tagen habe ich mehrfach Talksendungen im Fernsehen entsetzt ausgeschaltet, weil ich das gegenseitige Niederschreien nicht mehr ausgehalten habe. Ich rede nicht von Nachmittagstalkshows im Privatfernsehen, ich rede von Polit-Talks im öffentlich-rechtlichen Abendprogramm. Wenn sich intelligente und gebildete Menschen im Fernsehen permanent ins Wort fallen, einander niederschreien und sich sogar beschimpfen, dann fällt es schwer zu vermitteln, wie eine gute Gesprächskultur aussehen sollte.

Es hilft auch nicht, permanent mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu fordern, erst müsse sich dies oder jenes oder dieser oder welche ändern, dann kann ich…

Es fange jeder bei sich selbst an:

  • Raus aus der Wohlfühlblase. Andere Gruppen und ihre Lebenswirklichkeit kennenlernen. Erfahrungen machen.
  • Ihnen zuhören. Zuhören. Nochmal zuhören.
  • Nachfragen
  • Auf der Sachebene. Ohne Missionierung und Besserwisserei.
  • Auch mal was stehen lassen. Nicht alles totdiskutieren.
  • Das Ergebnis eines Gespräches kann sein, dass zwei Menschen unterschiedliche Ansichten haben, sogar sehr unterschiedliche und sich trotzdem mögen.
  • Respekt schenken und Respekt einfordern. Auch wenn man sich nicht mag.
  • Vorbild sein. Respektvoll bleiben, selbst wenn das Gegenüber den Respekt vermissen lässt.

Hass überwinden – miteinander reden. So. Das war jetzt mein Wort zum Sonntag. Ihr dürft das gerne kommentieren, ergänzen, Erfahrungen beisteuern.

Ich wünsche mir Frieden. Freiheit. Menschlichkeit.

Eure Sigi Lieb

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5 Gedanken zu „Trump, Brexit, AfD – Und jetzt?“

  1. Danke, liebe Sigi, dass du fast wörtlich das aufgeschrieben hast, was ich in den letzten Tagen selbst gern aufgeschrieben hätte, wäre ich nicht zu krank gewesen dafür. Nur :Wie kommen wir ins Gespräch mit Leuten aus anderen Lebenswirklichkeiten, mit Menschen, deren Wortschatz sich zudem nur in Teilen mit unserem überschneidet, mit Personen, die uns ablehnen und vor denen wir unsererseits Angst haben (und beides sowohl zu Recht als auch zu Unrecht )?
    Ich frage das, ohne eine Antwort zu wissen.

    Antworten
    • Danke dir für deinen Kommentar. Du weißt doch gar nicht, wer wen ablehnt. „Die lehnen mich ab“ sagen die Leute von allen Seiten und schweigen. Daher: Angst überwinden. Machen. Ansprechen. Miteinander ins Gespräch kommen. In der Fußgängerzone, im Bus oder bei Ausflügen. Höflich bleiben.

      Antworten
      • Nein, ich weiß nicht, wer wen ablehnt, wer vor wem warum Angst hat. Aber ich bin nicht der Typ, der auf Leute zugeht und sie anspricht. Dafür bräuchte ich schon einen konkreten, plausiblen Anlass. Es reicht ja nicht, im Bus neben einem Menschen zu sitzen, der anders aussieht als man selbst (und der doch vielleicht, wenn man denn ins Gespräch käme, ähnlich dächte). Oder beim Spaziergang an Leuten vorbeizulaufen, die gleich zu sein scheinen und es in Wahrheit überhaupt nicht sind, was sich aber mangels Kommunikation nie herausstellen wird.

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