Mit 16 hat er sich mit einem One-Way-Ticket in den Bus gesetzt und ist aus einer polnischen Kleinstadt zu seiner Mutter nach Köln gefahren, die dort bereits arbeitete. In Deutsch brachte er nur Grundkenntnisse mit, verstanden hat er zunächst niemanden. Fünf Jahre später studiert Jarek Deutsch auf Lehramt in Köln. Wo sein Zuhause ist, ist noch nicht ausgemacht.
Interview:
Wie würdest du deine Einstellung zum Thema Identität oder Identitäten beschreiben? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert?
Als ich in Polen gelebt habe, war ich einfach der Pole. Mit der Zeit hat sich alles verändert. Jetzt wohne ich in Deutschland und meine Identität hat von beiden Ländern etwas, aber ich kann nicht so gut erkennen, was woher ist.
Bist du oft umgezogen? In welchen Ländern und an welchen Orten hast du gelebt?
Bis zu meinem 16ten Lebensjahr habe ich in Ostróda in Polen gewohnt. Dort habe ich eine schöne Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbracht. Danach bin ich nach Köln umgezogen, wo meine Mutter schon wohnte und arbeitete. Hier ist das Leben sehr schnell und intensiv. Das heißt nicht, dass ich diese Art nicht mag. Sonst könnte ich nicht so viel in meinem Leben erreichen. Aber ich genieße immer wieder die Ruhe meiner Stadt in Polen, wenn ich dort zu Besuch bin.
Gibt es eine Phase in deinem Leben, in der du dich stark umstellen musstest, weil plötzlich alles anders war? Was war das Schwierige?
Mein Kommen nach Deutschland. Seitdem hat es sich viel geändert. Als ich in Polen mit der Schule nach der neunten Klasse fertig war und es darum ging, Abitur zu machen oder eine Ausbildung, habe ich mir ein One-Way-Ticket zu meiner Mutter gekauft und bin einfach hierhergekommen. Es ist mir erst bewusst geworden, was ich gemacht habe, als ich in Deutschland zur Schule gegangen bin. Ich habe die Leute nicht verstanden. Außer meiner Mutter hatte ich am Anfang keine andere Person, die mir helfen konnte. Alles war in meinen Händen, ich musste entscheiden, welchen Weg ich nehme. Ich habe mich sehr auf Schule und meine Entwicklung konzentriert. Das Schönste ist die Zeit, die ich einfach nur für mich habe. Jedoch vermisse ich Polen. Am Anfang war es extrem. Jetzt hat es sich bisschen stabilisiert, aber immer wieder kommen Phasen, in denen ich meinen Koffer packen will und einfach Tschüss sagen.
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Denk bitte an deine Grundschulzeit. Welche Bilder, Gefühle und Erlebnisse aus dieser Zeit sind dir präsent? Was ist dir aus deiner Jugend als besonders wichtig in Erinnerung?
Viel Freude und Spaß an allem, was ich gemacht habe.
Was bedeutet für dich Heimat und wo fühlst du dich heute zuhause? Welche Bilder, Gerüche oder Gefühle verbindest du mit dem Begriff Heimat?
Heimat heißt für mich Familie. Mit Familie verknüpfe ich viel Liebe und Akzeptanz. Mein Zuhause war in Polen, jetzt ist es – keine Ahnung wo. Ich habe immer das Gefühl, dass in Polen mein Zuhause ist, aber sobald ich dort bin, ist das Gefühl irgendwie weg. Ich versuche mir das zu ordnen, aber es ist nicht leicht. Hier und dort kommt immer wieder das Fremdgefühl. Ich denke oft nach, wo ich eigentlich hingehöre.
Stell dir vor, du musst wegziehen in eine weit entfernte Stadt oder sogar in ein anderes Land. Welche drei Dinge brauchst du unbedingt, damit du am neuen Ort ankommen kannst?
Wenn ich wegziehen müsste, würde ich auf jeden Fall ein Wörterbuch mitnehmen, dazu kommt „etwas“, was mir die Kommunikation mit meiner Familie und Freunden ermöglichen könnte. Das dritte Ding… ich brauche nichts, eventuell ein interessantes Buch.
Die Frage „Woher kommst du eigentlich?“ ist in Deutschland alltäglicher Gegenstand von Smalltalk. Jeder vorhandene oder fehlende Dialekt oder Akzent, das Aussehen und andere Merkmale werden zum Anlass von Fragen, manchmal aus Neugierde, manchmal um über etwas anderes als das Wetter zu reden und manchmal belastet von Vorurteilen und Erwartungen. Was denkst du über die Frage und wie gehst du damit um, wenn du auf deine Herkunft angesprochen wirst?
Ich frage selten die Leute, woher sie kommen. Erst wenn ich einen guten Kontakt mit der Person aufgebaut habe. Für mich im Vordergrund steht der Mensch, oft ist es nicht relevant, woher die Person kommt. Es interessieren mich mehr die Sprachen als das Herkunftsland. Als ich nach Deutschland kam, war ich sehr oft mit der Frage konfrontiert und das war neu. Vorher musste ich selten erzählen, woher ich bin. Ich war einfach da und Punkt. Ich finde die Frage hängt sehr von der Situation und dem Zeitpunkt ab, an dem sie gestellt wird. Jeder sollte nachdenken, ob wirklich die Information für ihn notwendig ist und ob er die andere mit der Frage verletzen kann. Bei mir hängt das viel von der Situation ab, wann und wer mich sowas fragt.
Gibt es andere Fragen als die nach der Herkunft, die du gefühlt jedes Mal gestellt bekommst, wenn du auf neue Menschen triffst? Welche und was machst du, wenn du davon genervt bist?
„Du hast aber keinen polnischen Akzent.“ Oder „Konntest du schon vorher Deutsch?“ Ich weiß selber nicht, ob ich mich selbst zu viel ärgere oder die Fragen an der falschen Stelle gefragt werden. Ich weiß, dass die Leute neugierig sind, aber manchmal ist das anstrengend, immer wieder zu erzählen, warum und wie man ist. Selten kommen auch lustige Momente, die mit den Fragen verknüpft sind. Für mich ist es immer bisschen unangenehm, auf die Fragen zu antworten. Mit der Zeit ist das schon besser geworden, aber ich weiß nicht, ob das an meinen verbesserten Sprachkenntnissen liegt oder ob ich schon daran gewöhnt bin, dass die Fragen kommen können.
Gibt es einen Glaubenssatz, der dich leitet und begleitet?
Es gibt viele, zum Beispiel: Im Leben gibt es keine Probleme, sondern Herausforderungen, die dich stärker machen. Obwohl ich manchmal denke, dass wir die nicht brauchen.
Was ist für dich die größte Herausforderung unserer derzeitigen Gesellschaft?
Sich gegenseitig zu respektieren und miteinander im Frieden kommunizieren. Das ist die größte und schwierigste Herausforderung der gemischten Gesellschaft. Ich habe am Anfang viel Hilfe von anderen bekommen, deswegen mache ich gerne bei unterschiedlichen Projekten mit. Ich finde sehr wichtig, anderen zu helfen und dadurch unsere Gesellschaft ein bisschen besser zu machen. Aktuell arbeite ich in einem Radioprojekt und produziere zusammen mit meinem Team eine Interviewreihe über ehrenamtliches Engagement.
Wenn du die freie Wahl hättest, wo möchtest du gerne leben?
Ich sehe mich als Weltbürger, deswegen würde ich gerne viel reisen und überall arbeiten, aber meinen festen Wohnort in Polen haben. Man lernt unglaublich viel, wenn man ins Neue kommt und die Erfahrungen bleiben für das ganze Leben bei dir!
* Vielen Dank für das Gespräch.
** Wenn ihr hören wollt, was Jarek und seine Kolleginnen und Kollegen produzieren, auf der Website von https://inhausradio.de/ findet ihr Podcasts und mehr.